Die Anthologie Aus Dunklen Federn 2 von Sonja Rüther (Herausgeberin) ist weder „Rabenschwarz“ noch „Feenrosa“. Mein Begriff „Feenschwarz“ trifft es wohl am besten.
Nach längerer Zeit bespreche ich wieder ein Buch. Von Sonja Rüther habe ich ein kostenloses Rezensionsexemplare der Anthologie Aus Dunklen Federn 2 erhalten, für das sie als Herausgeberin verantwortlich zeichnet. Das Buch verlegt sie selbst in ihrem Briefgestöber Verlag, das E-Book ist via dotbooks erschienen.
Vor etwa einem Jahr habe ich bereits den ersten Band Aus Dunklen Federn gelesen und behielt diesen recht positiv in Erinnerung, sodass ich mich auf die neue Ausgabe sehr gefreut habe – zumal wieder zwei Geschichten von Vincent Voss enthalten sind, den ich sehr schätze und mit dem ich sehr gerne zusammenarbeite.
Zur Haptik und zum Cover
Das Cover des Nachfolgebandes (zwei blutige Hände, die linke hält einen Federkiel) ist ein Derivat der ersten Ausgabe (eine blutige Hand, die einen Federkiel hält). Zum einen gibt es so natürlich einen hohen Wiedererkennungswert, insgesamt jedoch finde ich es etwas fad und einfallslos, lediglich die Überschriften auszutauschen und ein geringfügig anderes Bild in die Mitte zu setzen. Obwohl professionell gestaltet, spricht mich das Cover persönlich nicht an. Da dies jedoch ein subjektiver Eindruck ist, soll es kein Teil der Bewertungskriterien sein.
Das Taschenbuch an sich ist sehr robust. Es hat viele Stunden Sonneneinstrahlung sowie mehrere „Besuche“ in der Badewanne problemlos überstanden. An der Qualität des Drucks gibt es nichts zu bemängeln.
Rund um die Geschichten
Gleich zu Beginn möchte ich das hervorragende Lektorat durch Hanka Jobke hervorheben. Das Buch ist fehlerfrei, was heutzutage, vor allem bei den finanziell eher weniger erträglichen Storysammlungen, leider absolut kein Standard mehr ist. Chapeau!
Auch Sonja Rüther hat als Herausgeberin und Verlegerin in Personalunion wieder ganze Arbeit geleistet. Die Aufmachung des Buches ist professionell und kreativ. Die Autorenriege ist prominent besetzt, vor allem mit Namen wie Markus Heitz, Thomas Finn und Boris Koch, die auch als (Gast-)Dozenten in ihrer Schreibwerkstatt Ideenreich – der Kreativhof auftreten.
Vor jeder Geschichte gibt es, wie bereits im ersten Band, ein einseitiges Bild, das die jeweiligen Autoren zu ihrer eigenen Geschichte angefertigt haben. Das ist, wie ich finde, eine tolle Idee.
Im Anschluss an die Geschichten, die sich immerhin auf umfangreiche 380 Seiten erstrecken, gibt es bebilderte Kurzbiographien zu den Autoren. Auch das finde ich super, um die Gesichter hinter den Erzählungen kennenzulernen.
Die Beiträge
Im Klappentext heißt es: „Ein faszinierendes Lesevergnügen für alle, denen Rabenschwarz lieber ist als Feenrosa“.
Wie schon der erste Band ist Aus Dunklen Federn 2 – und da liegt für mich die Krux – sehr fantasylastig geraten (die Autoren sind auch eher Fantasyautoren). Legt meiner Meinung nach sogar noch eine gehörige Schippe drauf, sodass eigentlich sehr wenige Storys im Buch wirklich als „Horrorstorys“ im klassischen Sinne zu bezeichnen sind.
Die Bezeichnung „Feenschwarz“ hätte es wahrscheinlich am besten getroffen. Leider mag ich keine Feen, bin also eigentlich der falsche Ansprechpartner für das Buch.
Hier hätte ich mir eine etwas passgenauere Buchbeschreibung- und -gestaltung gewünscht, denn für Fans bieten die gut erzählten Geschichten einiges. In Kürze möchte ich diese hier vorstellen:
Die Kürzestgeschichte Maschas Schuhe von Lektorin Hanka Jobke dient als Appetitanreger und gibt die Fahrtrichtung der Anthologie bereits vor. So kurz, dass ich nicht näher darauf eingehen will. Eine gute Idee, mit so einem knappen Einseiter einzusteigen!
Der Groll von Chrisian von Aster ist sehr gut geschrieben. Es wird geduldig eine unschuldige Dorfatmosphäre mitsamt einer sympathischen Ehegeschichte aufgebaut. Beides zerbricht recht schnell und wird zu einem bösen Märchen.
Photosynthese von Nicole Zöllner ist mir persönlich zu harmlos und vorhersehbar und konnte mich leider nicht überzeugen. Auch bei diesem Beitrag hat die Autorin sehr gute Arbeit geleistet und die Geschichte bis hin zum Schlusssatz exakt durchkomponiert, jedoch fehlen mir die Höhepunkte und die gruseligen Momente. Schade!
Meister Calamitas‘ erstaunliche Kuriositäten von Thomas Finn ist eine wunderbare Fantasyerzählung. Die Miniaturperspektive wird bildhaft beschrieben, man ist ein lebendiger Beobachter der Geschichte, die zwar sehr spannend, aber wieder wenig horrorlastig ist.
Gleich vorab gestehe ich meine große Liebe für Vincent Voss-Geschichten. Auch Der flüssige Bob enttäuscht nicht. Für mich die erste wirkliche Horrorgeschichte im Buch, auch wenn Vincent sich für seine Verhältnisse sehr bedeckt hält was den Härtegrad anbelangt. Dennoch mein Highlight des Buches!
Gesprächsfetzen von Markus Heitz startet famos und mega spannend. Mir persönlich wäre es dann aber lieber gewesen, wenn sich die Story etwas bodenständiger (meint weniger feenhaft) weiterentwickelt hätte. Dochobwohl ich, wie gesagt, absolut kein Fantasyfan bin, hat mich die Geschichte voll in ihren Bann gezogen. Die gezielt gesäten Horrorelemente wussten voll zu überzeugen. Man merkt, dass Markus Heitz einfach ein toller Autor ist. Mein zweites Highlight!
Im Haus des toten Clowns von Boris Koch bietet ein spannendes Setting und eigentlich alle Ingredienzen für eine klasse (klassische) Horrorgeschichte. Leider ist der Spaß schon vorüber, als gerade alles für ein schockendes Finale vorbereitet ist.
Mein anderes ich von Stephan Cernohuby ist nette Unterhaltung für zwischendurch. Das Setting um einen Autor und sein durchgeknalltes Alter Ego ist nicht wirklich neu, die Umsetzung ist aber stimmig. Hat Spaß gemacht, sie zu lesen.
Elefantenfriedhof ist der erste Beitrag von Herausgerberin/Verlegerin Sonja Rüther. Eine fiese Geschichte, ganz nach meinem Geschmack, mit einigen coolen Ekelelementen („Cool“ im Sinne von nicht abartig/abstoßend eklig, sondern „nice to read“). Leider nach meinem Geschmack ein winziges Müh zu durchgeplant und konstruiert.
Chupa von Thomas Lisowsky ist leider gar nicht mein Ding. Die Geschichte ist aus der Sicht eines vielleicht zwölfjährigen Mädchens geschrieben. Problematisch an solchen Geschichten aus Kinderperspektive ist es, den Stil eben kindhaft zu gestalten. Ich gehe mal davon aus, dass die kurzen, abgehackten Sätze, die keinen Lesefluss entstehen lassen, und die vielen, vielen Wiederholungen gewollt sind, um eben die Denke eines Kindes zu imitieren, obwohl in der 3. Person geschrieben. Auch die Story konnte mich nicht überzeugen und weist einige Lücken auf.
Schau hin von Kai Meyer ist wieder eine Kürzestgeschichte – die auf den wenigen Zeilen aber unglaubliche Spannung aufbaut. Das ganze bleibt so mysteriös, dass man lange darüber nachdenkt. Chapeau!
Die Welt am Abgrund von Hanka Jobke spielt in einer dystopischen Zukunft. Die Erzählung wirkt für mich wie der Einstieg zu einer großen Geschichte in einem eigenem Universum – ein kleines Fragment aus einem großen Puzzle, das die Autorin mindestens in Romanlänge zusammensetzen will. Leider passiert zu wenig, um von einer wirklich gelungenen Kurzgeschichte zu sprechen. Dennoch würde ich gerne mehr über diese Welt kurz vor dem Untergang lesen.
Weshalb die nun folgenden vier Geschichten als Bonusgeschichten bezeichnet werden, weiß ich nicht. Es gibt meines Wissens keine Ausgabe ohne diesen „Bonus“.
Der Schrei von Thomas Finn ist eine Geschichte um Feen, Hexen und Vampire. Hier bleibt es mir erneut nur zu bewerten, dass sie sehr gut und sicher sehr spannend geschrieben ist für Leute, die sich innerhalb dieser literarischen Gattung bewegen/wohlfühlen.
Die Hexe und der Folterknecht von Boris Koch macht Spaß! Ein witziger Schlagabtausch zwischen (vermeintlicher) Hexe und Folterknecht, die mich mehrfach zum Schmuzeln brachte. Ein weiteres Schmankerl der Ausgabe!
Die zweite Story, die Vincent Voss beisteuert, trägt den Titel Frühlingserwachen. Es geht um die ekligsten Tiere – nach Ratten – überhaupt: Spinnen!!!
Vincent beweist mal wieder, dass er ein unglaubliches Gespür für lebendige Charaktere und deren Beziehung zueinander besitzt. Leider verzettelt er sich meines Erachtens ein klein wenig, da er auf nur wenigen Seiten über drei unterschiedliche Episoden berichtet, die durch die Spinnen verbunden werden. Dennoch eine ganz, ganz starke Geschichte!
Den Schlussstrich setzt Herausgeberin Sonja Rüther, Wie schon die erste Geschichte wird es wieder unterschwellig psychologisch und eher offenkundig gesellschaftskritisch. Vom Aufbau und Setting her ähnelt die Story stark ihrem ersten Beitrag Elefantenfriedhof. Hier hätte ich mir ein bisschen weniger Redundanz gewünscht.
Fazit
Zusammenfassung in aller Kürze:
Das Buch ist perfekt lektoriert und erscheint in professioneller Aufmachung mit vielen kreativen Ideen – zwei dicke Pluspunkte. Leider trifft das Cover meinen persönlichen Geschmack nicht, was aber, wie angekündigt, unbewertet bleiben soll.
Die Geschichten sind abwechslungsreich – sowohl von der gewählten Thematik als auch in Länge und Härtegrad. Leider tritt für eine als Gänsehaut hervorrufend angekündigte Horroranthologie für meinen Geschmack viel zu häufig der Fantasybackground der ausgewählten Autoren in den Vordergrund.
Die Anthologie Aus Dunklen Federn 2 von Sonja Rüther (Herausgeberin) ist weder „Rabenschwarz“ noch „Feenrosa“. Mein Begriff „Feenschwarz“ trifft es wohl am besten. Insgesamt für mich persönlich ein ordentliches (3 von 5 Sterne) Leseerlebnis, für Fantasyfans wahrscheinlich sogar ein gutes (4 von 5 Sterne).
Macht insgesamt 3,5 von 5 Sterne.